Freitag, 7. September 2012

[Spielbericht] Judas Prokaryot

Der dritte Spielbericht, den ich für Call of Cthulhu geschrieben habe beschäftigt sich ausnahmsweise mal mit einem frei verfügbaren Szenario. Ihr könnt es umsonst bei Cthulhus Ruf herunterladen:
http://www.cthulhu.de/abenteuer/
Eine etwas überarbeitete Version erschien auch in Ausgabe 21 der Cthuloiden Welten. Aber zum leiten reicht die Online-Version völlig aus.

Ich habe das Szenario vor einigen Jahren auf den Oldneburger Spieletagen zum ersten Mal geleitet, und es lief dort sehr gut. Ich musste es recht schnell durchziehen - ich hatte ja nur 5 Stunden für Abenteuer und Charakterausgestaltung zur Verfügung. Trotzdem lief alles glatt und die Spieler hatten riesigen Spaß am Abenteuer.


Dauer: 4,5 Stunden

Spieler: 5 Spieler mit unterschiedlicher Cthulhu-Erfahrung, 3 Herren der Schöpfung und 2 Damen. Drei der Spieler hatten zuvor noch nie Cthulhu NOW gespielt.

Charaktere:
Als Charaktere benutzte ich die dem Abenteuer beigefügten Charaktere, und ließ sie von den Spielern mit Hilfe der Hobbyfertigkeitspunkte "personalisieren". Letztendlich hatten wir dann als Charaktere:
- Klaus Mahler (Polizist)
- Oliver "Ollie" Schneider (IT-Nerd)
- Dr. Sibille Trautmann (Amtsärztin)
- Regina Silber (Abteilungsleiterin im Gesundheitsamt und Teamleiterin)
- Dr. Shana Westwood (Biochemikerin)
(ein männlicher Spieler spielte einen weiblichen Charakter - störte mich nicht, und funktionierte sehr gut)

Setting: Wir entschlossen uns dazu, dass Abenteuer nominell in Berlin stattfinden zu lassen.

Die Epidemie:
Die im Anhang beigefügten Beschreibungen für die verschiedenen Stufen der Epidemie kamen gut an. Ich habe sie zu gegebener Zeit so in die Geschichte eingeflochten, dass die SCs sie selber miterlebten, was sehr gut angenommen wurde. Mehr dazu später.

Ablauf:

Stufe 1: Einstieg
Wir begannen damit, dass ich eine kurze Einführung in die bisherigen Geschehnisse gab (Grippe-Epidemie in der Stadt, Einrichtung des Teams von Frau Silber, etc...). Bei der Gelegenheit habe ich auch gleich die im Anhang gegebene Beschreibung für "Stufe 1" mit eingeflochten.

Stufe 2: Das Schwimmbad
Punkt 22:47 kam dann der Pieper-Alarm, und alle machten sich sofort auf den Weg zum Schwimmbad. Vor Ort angekommen, wartete man auf den Nachzügler (Ollie war mit dem Rad unterwegs) und begann sich zunächst das Gebäude von Außen anzusehen. Das flackernde Licht drinnen sorgte bereits für eine ominöse Stimmung - und durch die großen Fenster erahnte man nur einige Schemen im Schwimmbecken (die vorbeitreibenden Badeanzüge). Drs. Trautmann und Westwood fanden relativ schnell die Fußspuren, übersahen jedoch den Fotoapparat (dieser wurde später von einem Polizisten der Spurensicherung entdeckt und so in ihre Hände gespielt.) Frau Silber versuchte unterdessen einen Hausmeister zu erreichen, was aber ob eine völlig verpatzten Ansehen-Probe fehlschlug. Schließlich erfuhr sie, dass ein Bademeister im Gebäude sein sollte - und als niemand auf Klopfen und Klingeln reagierte entschloss man sich kurzerhand dazu, den Notausgang aufzubrechen. Was auch immer drinnen für ein Problem herrschte, man wollte lieber nicht von Vorne kommen.
Während Ollie zurückblieb um noch schnell die Autokennzeichen der beiden vor dem Bad geparkten Wagen zu überprüfen (Bademeister und Lehrerin), gingen die Anderen hinein. Man trennte sich und während Dr Trautmann und Frau Silber die Büros und die Rezeption aufsuchten, gingen Dr Westwood und Kommissar Mahler zum Schwimmbecken. Sie fanden die Kleidung in der Sammelumkleide, und überstanden auch die Schwimmhalle ohne nennswerte Stabilitäts-Verluste. Während Ollie die Überwachungsvideos sicherte, nahmen die anderen Proben und riefen die Polizei zwecks Absperrens des Geländes. Dr. Trautmann fand wohl das Klassenbuch, zählte einmal durch, wieviele Schüler fehlten, maß aber dem unentschuldigten Fehlen von Thomas Sievers keinerlei Bedeutung zu.
Ollie Schneider, der als Einziger nicht die Schwimmhalle betrat, kehrte dann ins Institut zurück um mit der Analyse der Videos zu beginnen. Die anderen untersuchten noch die Messtation im Keller, fanden den getrockneten Schleimklumpen im Abfluss und besuchten danach diverse Desinfektionsduschen (auch ihre Kleidung ließen sie vorsichtshalber als "Biohazard" eintüten). Außerdem beschloss die Gruppe an dem Abend lieber nicht nach Hause zu fahren, um Familienmitglieder (Dr. Trautmann war stolze Mutter der siebenjährigen Finja) nicht anzustecken, sollte man sich doch etwas eingefangen haben.

Stufe 3: Nachforschungen
Ollie kehrte also früher als alle anderen zum Institut zurück und traf im Korridor einen seiner Kollegen an (Beschreibung der Stufe 2). Verständlicherweise machte ihn dies völlig panisch und als IT-Nerd fühlte er sich auch sofort an die einschlägigen Zombie-Filme erinnert. Er verbarrikadierte sich im nächstbesten Büro und rief mit dem Handy den Sicherheitsdienst zu Hilfe. Zitternd und völlig panisch lauschte er den Geräuschen auf der anderen Seite der Tür, bis er sicher war dass sowohl Infizierter wie auch Sicherheitsdienst fort waren. Dann rief er die anderen an und wurde beauftragt eine Probe des kranken Kollegen zu nehmen. Unter weiteren Panikattacken schaffte er es, eine Probe des Speichels von der Tür zu nehmen, die der Infizierte darauf hinterlassen hatte. Dann flüchtete er ein sein Büro, schloss die Tür ab, und verklebte vorsichtshalber auch alle Lüftungsöffnungen...
Am nächsten Morgen traf man sich um die letzte Nacht noch einmal Revue passieren zu lassen. Dabei bekamen die SCs mit, dass die Kinder der 5c inzwischen als vermisst gemeldet wurden, aber Frau Silber gab die Order raus, den Eltern vorsichtshalber nichts über die näheren Umstände mitzuteilen. Dann schauten sie sich die wiederhergestellten Überwachungsvideos an. Jetzt begannen die Stabilitätsverluste sich aufzusummieren. Insbesondere Herr Mahler und Dr. Trautmann waren äußerst mitgenommen. Letztere äußerte die Theorie, die Kinder seien evtl vom Schwimmbadwasser "verdaut" worden ("von wegen Magensäure und so...").
Die Kamera wurde den Charakteren von der Spurensicherung übergeben, und Frau Silber und Herr Mahler machten sich daran, die Fotos entwickeln zu lassen. Ollie versuchte den unbekannten Mann vom Video per Bildbearbeitungsprogramm irgendwie besser sichtbar zu machen. Die anderen Beiden begaben sich zwecks Analysen in die Labore.
Die Ergebnisse sind bekannt - Dr. Westwood schickte die Schleimprobe schließlich an einen Kollegen um einen genetischen Fingerabdruck erstellen zu lassen.
Kommissar Mahler kam schließlich auf die Idee bei seinen Kollegen nach bekannten Pädophilen in der Gegend zu fragen und bekam schnell den Tipp auf Frenzel. Er verabredete sich mit Dr. Trautmann in der Polizeiwache und fuhr dorthin. Frau Trautmann machte sich ebenfalls auf den Weg, geriet auf dem Weg dorthin allerdings in die Demonstration (Beschreibung Stufe 3) und wurde so Zeugin wie sich der erste Lynchmob formierte. Sie fuhr weiter zur Polizeistation und beschloss ihren Kollegen zunächst nichts davon zu sagen. Sie verhörten Frenzel, und legten dabei ein absolut unprofessionelles Verhalten an den Tag, so dass dieser schon nach kurzer Zeit völlig die Kontrolle verlor. Dr. Trautmann rief daraufhin ihre beste Freundin zu Hilfe (die war zufälligerweise *hüstel* Psychologin). Daraufhin fuhr man zurück ins Institut zur Lagebesprechung, denn Dr. Westwood hatte inzwischen den genetischen Fingerabdruck bekommen und herausgefunden, dass der Schleim radioaktiv war.
Mit der Schulleitung sprachen die SCs ebensowenig wie mit den Familien der Kinder. Nachdem sich die Psychologin zurückmeldete und die SCs von Frenzels Obsession mit Thomas Sievers unterrichtete, machte sich Kommissar Mahler auf den Weg zum Wohnblock (Geigerzähler im Gepäck). Die Anderen blieben zunächst allein zurück.

Stufe 4: Wohnblock
Inzwischen waren die Aufstände in der Stadt nicht mehr zu vertuschen. Auf dem Weg zum Wohnblock fuhr Mahler durch eine Stadt, die zum Kriegsgebiet geworden war (Beschreibung Stufe 4 - 1. Absatz). Die zurückgebliebenen SCs versuchten verzweifelt sich einen Reim auf die Geschehnisse zu machen, und drehten sich im Kreis. Schließlich einigte man sich darauf, dass Ausgangspunkt und damit wohl Ursache im Schwimmbad zu finden sein. Der Rest der Gruppe fuhr also dorthin zurück. Sie liefen mit Geigerzählern herum, um "Hotspots" zu finden (Schwimmbecken, Sammelumkleide, Eingangsbereich) - erkannten aber nicht, dass dies die Orte sind, an denen alle Kinder gemeinsam waren. Selbst als ich betonte, dass der draußen stehende Wagen der Lehrerin mehr strahlte als die Umgebung, wurde den Spielern nicht bewusst, dass es die Personen selber waren, die die Strahlung in sich trugen. Statt dessen vermutete man in Panik irgendein strahlendes, kinder-verdauendes Wesen unter dem Schwimmbad ...
Unterdessen traf Mahler am Wohnblock ein, und wurde sofort von einigen Infizierten belagert (ich wollte eigentlich nicht, dass der Charakter alleine in den Block geht - und es bot sich hier die Gelegenheit den 2. Teil der Stufe 4 Beschreibung mit ihm auszuspielen). Der Spieler verpatzte unglaublich viele Proben hintereinander, was die Panik enorm steigerte. Die Dienstwaffe - Ladehemmung (00 Patzer) als sie genau ins Gesicht eines Infizierten "Zombies" zielte, der Gurt klemmte (99), beim Umdrehen im Sitz Knie angeschlagen (98 )... In seiner Panik legte der Spieler kurzentschlossen den Rückwärtsgang ein, fuhr den Wagen an einer Häuserwand zu Schrott, und flüchtete humpelnd in... den Wohnblock (SL = *seufz*).
Während dessen wurde den Anderen im Schwimmbad klar, dass sie irgendwie falsch dachten. Ollie überprüfte die Wasserversorgung der Stadt und konnte keine weiteren "seltsamen" Messdaten finden. Sie beschlossen nach viel Hin-und-Her zurück zum Institut zu fahren. Immerhin fühlten sich alle inzwischen völlig hilflos und es machte sich die Stimmung breit: "Wir können es eh nicht mehr aufhalten. Wir sind alle so was von tot."
Mahler versuchte sein Glück im Treppenhaus des Wohnblocks, traf allerdings einen Infizierten, der (unfreiwillig) die Treppe hinunterfiel. Und Mahler (ganz Polizist) fing ihn auf, er hätte sich ja verletzen können (Ausweichen Patzer - der Spieler hatte echt kein Glück an dem Abend)... Daraufhin hatte er genug und flüchtete. Hustend (er hatte sich inzwischen angesteckt) verbarrikadierte er sich in einer Telefonzelle und rief seine Teamkollegen zu Hilfe.
Die SC packten sich in Strahlenschutzanzüge und fuhren los zum Wohnblock (unterwegs sammelten sie Mahler auf). Dort angekommen nahmen alle die Treppe (bis auf Mahler, der war vom letzten Mal so geschockt, dass er lieber im Aufzugschacht kletterte - der Charakter hatte an diesem Punkt bereits 10 Stabilitätspunkte verloren). Da uns jetzt auch die Zeit knapp wurde, legte ich den Spielern keine weiteren Probleme in den Weg. Ollie bemerkte noch das Stöhnen aus der infizierten Wohnung, trat die Tür auf, und wurde Zeuge der Auflösung. Er rang sich sogar dazu durch, von dem Schleimklumpen eine Probe zu nehmen, bevor sich dieser durch den Lüftungsschacht davon machte. Von diesem Intermezzo abgesehen, kamen die SCs ohne größere Schwierigkeiten zur Wohnung der Sievers, wo sie auch sofort die Arztrechnungen und das Matheheft fanden.
Leider konnten sich die Spieler aus der Zeichnung keinen Reim machen - auch weil sie darauf bestanden sie immer "von oben nach unten" zu lesen. Das führte dazu, dass die Geschichte in ihrer Version immer mit "gesunder Thomas wird krank" anfing. Bis zum Auflösungsprozess konnten sie es nachvollziehen, aber die gesamte linke Seite blieb ihnen schleierhaft... (Auch verstanden sie die Abbildung Adams und Evas nicht und interpretierten sie als "Mama" und "Papa"...) Frenzels Wohnung wurde nur noch oberflächlich angeschaut und relativ schnell als unwichtig verworfen.
Da die Spieler keine Ahnung hatten, was sie jetzt noch tun könnten um die Stadt zu retten, beschlossen sie Thomas zu folgen und auch zur Schule zu fahren. Kommentar: "Wir sind ja eh schon tot, also was soll's."

Stufe 5: Schule
Unterwegs brachte ich noch die Beschreibung der Stufe 5 ein. Und zusammen mit den Beschreibungen des Schulgeländes und der Charaktere in ihren Strahlenschutzanzügen ergab sich eine wunderbar surreale Stimmung. Die SCs wanderten durch die Schule, fanden den Klassenraum der 5c und wussten die Ironie des Posters vom Baum des Lebens sehr zu schätzen (schöner Effekt das). Tja, und sie hatten immer noch keine Ahnung, was zu tun sei...
Und dann kam Dr. Trautmann auf die glorreiche Idee, den gesammten Raum mit Chlor einzunebeln. Extrem tödlich, und hat ja im Schwimmbad mit dem Schleimklumpen auch geklappt... An diesem Punkt war ich willens jedes Angebot zur Lösung von Seiten der Spieler anzunehmen (wir hatten nur noch knapp 15 minuten übrig). Tatsächlich rief Frau Silber die Armee zu Hilfe, was noch einmal für etwas Aufregung am Ende sorgte (mit Hubschraubern, marschierenden Soldaten, Sondereinsatzkommandos, die das Gelände sicherten, etc...).
Sie brachten eine Chlor-Bombe in das Klassenzimmer (Dr. Westwood and Mahler gingen die Nerven durch, und sie flüchteten lieber anstatt den Anderen zu helfen), gingen in Deckung und drückten den Knopf...
Es gab einen nicht sehr lauten Puff, und alle warteten angespannt... und warteten... und warteten... und gerade als sie dachten es klappe nicht, tat es das doch. Großes Aufatmen in der Runde.

Fazit:
Trotz des Zeitmangels am Ende war es eine durch und durch gelungene Runde. Ich hätte den Nachforschungs-Teil noch etwas straffen können, aber es lief auch so. Am meisten Probleme hatten meine Spieler mit dem Entschlüsseln der Zeichungen im Schulheft. Außerdem gingen sie (als erfahrene Rollenspieler) völlig davon aus, dass es irgendwo ein "Monster" gibt, dass direkt verantwortlich für das Verschwinden der Kinder ist. Insofern war die Auflösung des Abenteuers ein echter Aha-Effekt für alle.
Alle Spieler hatten aber ihren Spaß und fanden das Abenteuer sehr gut aufgebaut. Also nochmal ein *thumbsup* - ein echt gelungenes Abenteuer.

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